badminton.de: „Die olympischen Badmintonwettbewerbe sind leider für den DBV nach der Gruppenphase beendet. Wie fällt Dein Fazit zu Paris 2024 aus?“
Hannes Käsbauer: „Mein Fazit fällt sehr gemischt aus. Wenn man uns vor einem Jahr, und erst recht vor zwei Jahren – als wir bei den Europameisterschaften zweimal Gold und einmal Silber und bei den Weltmeisterschaften die historische Bronzemedaille im Mixed gewonnen haben –, jemand gesagt hätte, dass wir bei Olympia 2024 dieses Ergebnis erzielen, hätte ich dies nicht so ‚unterschrieben‘. Die Vorzeichen im Herrendoppel und im Mixed waren damals ganz andere.“
badminton.de: „Wenn man nun konkret die einzelnen Disziplinen betrachtet, in denen deutsche Spielerinnen und Spieler für Paris qualifiziert waren. Was lässt sich zum Herrendoppel sagen?“
Käsbauer: „Das Herrendoppel kann man ergebnistechnisch hier in Paris nicht bewerten. Es hat sich zwar souverän qualifiziert, vor Ort war aber keine Leistung abrufbar. Was man allerdings sagen muss: Marvin hat sich im Vorfeld und genauso bei den Spielen in Paris – auch ohne Mark – top vorbereitet. Er hat sich in Bestform präsentiert, das verdient Anerkennung. Im Spiel gegen die Indonesier hat man – bei allem Dilemma, das in dieser Partie steckte – gesehen, wie er sich bewegt und wie er sich verhalten hat. Darauf werden wir aufbauen, wir werden diese Erfahrungswerte mitnehmen und für andere große Events in der Zukunft nutzen. Für Mark hat die Zeit einfach nicht gereicht, um sein Knie so hinzubekommen, dass er zumindest annähernd seine Normalform erreicht. Er hat nach wie vor Schmerzen und wird sich nun die Zeit nehmen, um in Zusammenarbeit mit den Ärzten, Trainern, Therapeuten etc. das Knie wieder in Ordnung zu bringen.“
badminton.de: „Wie bewertest Du das Abschneiden im Dameneinzel?“
Käsbauer: „Yvonne ist – ebenfalls wegen ihres Knies – im März aus den Wettkämpfen rausgegangen und hat u. a. keine EM gespielt, sondern stattdessen den Rehaprozess vorangetrieben. Auch dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen, er wird noch weitergehen. Wir werden das Knie entlasten und aufbauen, um jene Stabilität zu erhalten, welche das Knie für das Level, das Yvonne spielen kann und will, benötigt. Im Juni hat sie noch einmal zwei Turniere bestritten und sich danach auf Paris vorbereitet. Das Spiel gegen Chen Yu Fei war leistungsmäßig absolut top! Yvonne hat darin viele Dinge umgesetzt, die wir erarbeitet bzw. im Training angesprochen hatten, um sich spielerisch weiterzuentwickeln. Mit diesem Rückenwind sind wir ins zweite Spiel gegangen. Doch darin hat es zu schnell oder zu einfach Punkte für Mia Blichfeldt gegeben – was uns natürlich schon enttäuscht hat. Wir wollten das Spiel unbedingt gewinnen und vor allem auch beide Gruppengegnerinnen angreifen! Natürlich war das eine starke Gruppe – mit der Olympiasiegerin von Tokio, und die Dänin ist auch kein ‚no name‘. Andere Gruppen wären da leichter gewesen. Aber so ist auch Olympia. Mein Wunsch ist, mit Yvonne bei Olympia in vier Jahren um einen Setzplatz zu kämpfen und damit evtl. eine leichtere Gruppe zu erhalten. In den nächsten ein bis zwei Jahren müssen wir dafür die Grundlage legen – gesundheitlich, spielerisch und auch persönlich. Denn z. B. ist es wichtig, das Mindset so auszurichten, dass der Schritt in Richtung der Top 20 der Welt gemacht werden kann.“
Wir wollen mehr und wollen uns – kurz- wie auch langfristig – an der Weltspitze (wieder) orientieren!
Hannes Käsbauer
badminton.de: „Wie lässt sich das Olympiadebüt von Fabian Roth bewerten?“
Käsbauer: „Fabi hatte als Ziel die Olympiaquali. Dass er nun dabei sein konnte, ist eine ganz wunderbare Erfahrung für ihn. Die Vorbereitung unter der Federführung von Johanna Käpplein seit Mai lief super. Es gab zwar ein, zwei gesundheitliche Probleme, die er ‚mitschleppen‘ musste, aber gerade sein erstes Spiel hier war sehr gut: Er hat die taktische Idee umgesetzt, sich gut bewegt, ist schnell gewesen. Im zweiten Spiel hat er dies leider nicht mehr abrufen können. Trotzdem gab es spielerisch einige Punkte, an die wir anknüpfen wollen. Er war ja schon mal im Bereich der Top 40 der Welt – und diesen Bereich wollen wir erneut angreifen. Derzeit kommen viele junge Spieler nach, die viel Power haben. Daher gilt es für ihn, sein Spielkonzept weiterzuentwickeln. Denn er kann jedem Gegner mehr als nur gefährlich werden.“
badminton.de: „Wie ist das Gefühl generell, bei Olympia dabei zu sein? Auch für Dich sind es ja die ersten Olympischen Spiele.“
Käsbauer: „Olympia ist etwas ganz Besonderes, etwas ganz anderes als andere Turniere. Gefühlt ist ein Tag schon fast vorbei, bevor er angefangen hat … Es geht alles rasend schnell und aufgrund der weiten Wege kostet alles viel Energie. Aber das alles gibt auch viel Energie! Hier erlebt man Dinge, die man sonst nicht erlebt. Wir haben in jedem Fall sehr gut zusammengearbeitet und haben auch im Training mit anderen Nationen viel rausgeholt. Es hat auch organisatorisch, trotz der vielen Reglementierungen, die es bei Olympischen Spielen gibt, gut geklappt. Dennoch: Wir wollen mehr und wollen uns – kurz- wie auch langfristig – an der Weltspitze (wieder) orientieren! Daran gilt es jetzt, mit den anstehenden Veränderungen und voller Energie zu arbeiten.“
badminton.de: „Wie geht es nun genau weiter?“
Käsbauer: „Natürlich gilt es aufzuarbeiten, dass wir uns ‚nur‘ in drei der fünf Disziplinen für Olympia qualifizieren konnten und dass wir auch hier vor Ort nicht ganz zufrieden waren. Wir werden uns das im Rahmen der Gesamtveränderungen, die nun in die Umsetzung gehen, genau anschauen und in der Zukunft angreifen. Denn wir müssen angreifen! Dabei wird es auch darum gehen, weg von ‚Komfortzonen‘ heraus Entscheidungen zu treffen, die schwer und unangenehm, aber notwendig sind, um das notwendige Change Management in unterschiedlichen Bereichen voranzutreiben.“
badminton.de: „Wie gestaltet sich die Badmintonszene derzeit?“
Käsbauer: „Nach wie vor ist sie asiatisch dominiert. Das ist nicht neu, aber in jedem Fall sind es noch viel mehr Spieler aus Asien, die uns Konkurrenz machen, als früher – aber zugleich noch viel mehr in Europa. Wir haben inzwischen auch eine ‚Jägerrolle‘ inne – und müssen diese auch annehmen. Das gilt international für den Elitebereich sowie für den Nachwuchsbereich. Wir müssen uns genauso kulturell weiterentwickeln – und z. B. die Siegermentalität bei einer guten Wettkampf- bzw. Selbststeuerung mit trainieren. Denn diese ist erforderlich, möchte man international und auf der Bühne Olympia erfolgreich sein.“
badminton.de: „Vielen Dank für das Gespräch!“