Der neue Chef-Bundestrainer Hannes Käsbauer (Foto: privat).

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„Wir müssen uns fokussieren!“

Seit dem 1. Mai 2024 ist Hannes Käsbauer als Chef-Bundestrainer im Deutschen Badminton-Verband (DBV) tätig. Im Interview mit Claudia Pauli spricht der 37-Jährige, der bis dato als Leiter des Bundesstützpunktes in Saarbrücken fungierte, über seine neuen Aufgaben, die Änderung in der Stützpunktstruktur und Problembereiche, die er gezielt angehen möchte.

Von Claudia Pauli

 

Claudia Pauli:„Die Rolle und das Aufgabenprofil des Chef-Bundestrainers wurde im Zuge der Umstrukturierung geschärft. Worin bestehen deine Aufgaben primär?“

Hannes Käsbauer: „Meine Hauptaufgabe besteht darin, am zukünftigen Elitestandort in Saarbrücken das Trainerteam sowie die Athletinnen und Athleten zu führen. Gleichzeitig möchte ich die Schnittstelle zum U25-Standort in Mülheim an der Ruhr sein und damit den Nachwuchsbereich stärken.“

Pauli:„Wie darf ich mir dies in der Praxis vorstellen? Wirst du z. B. auch selbst auf dem Spielfeld stehen und Training geben?“
Käsbauer: „Ja, ich werde und möchte auch selbst auf dem Court stehen! Aber die Hallenarbeit liegt in erster Linie in den Händen unseres Bundestrainerteams, das täglich mit den Spielerinnen und Spielern arbeitet. In meiner Funktion gewinnt das Management der Expertinnen und Experten drumherum zunehmend an Bedeutung – etwa die Zusammenarbeit mit dem Athletik-/Performance- und Ärzteteam, mit den Physiotherapeuten und mit der Wissenschaft. Allein in Saarbrücken z. B. arbeiten wir mit mehreren Athletiktrainern zusammen. Auch die Erstellung und Weiterentwicklung von Konzepten gehören zu meinen Aufgaben.“

Pauli:„Was gibt es aus deiner Sicht bei alldem zu beachten?“
Käsbauer: „Wesentlich wird sein, dass ich mich auf den Kernbereich fokussiere, d. h., die Führung im Leistungssport zu verstärken und mich der ‚Baustellen‘, die wir derzeit haben, anzunehmen. Das werde ich in enger Zusammenarbeit mit Sportdirektor Niclas Hildebrand sowie dem Trainerteam tun.“

Pauli:„In welchen Bereichen läuft es aus deiner Sicht derzeit in Badmintondeutschland nicht so wie gewünscht?“
Käsbauer: „Ich sehe drei große Bereiche, in denen wir Handlungsbedarf haben: Der erste Bereich ist der Damenbereich. Wir haben leider – aus verschiedenen Gründen – aktuell in der Spitze und in der Breite zu wenige Spielerinnen in Badmintondeutschland, die sich international auf den Weg machen. Ich möchte deshalb mit allen Kräften den Damenbereich von Grund auf – und damit meine ich das Alter der Athletinnen – neu starten. Es gilt, mehr Spielerinnen für den Badmintonsport zu gewinnen und aus einer breiteren Basis mehr gute Spielerinnen hervorzubringen.

Der zweite Bereich betrifft die Belastungssteuerung und das Gesundheitsmanagement: Wir stellen fest, dass unsere Spielerinnen und Spieler häufig Überlastungserscheinungen oder Zeichen der ‚Untererholung‘ zeigen. Das betrifft auch den Nachwuchsbereich. Der Workload ist vielfach insgesamt zu hoch. Denn neben dem Training ist auch das Drumherum, z. B. die Schule, sehr herausfordernd. Oftmals hetzen die Spielerinnen vom Training in die Schule, gehen schnell essen, dann wieder zum Training. Um hier gegenzusteuern, müssen wir mehr bzw. besser individualisieren und kommunizieren sowie mehr Tools im Bereich des Monitoring einsetzen.

Der dritte Punkt ist die Badmintonausbildung als solche. Hier müssen wir uns fragen, ob der Übergang vom Nachwuchs- in den Topbereich gut genug funktioniert. Natürlich geht es immer besser, aber unser Anspruch muss ‚maximale Qualität‘ lauten. Das betrifft neben der Ausbildung der Spielerinnen und Spieler auch die Ausbildung der Trainerinnen und Trainer in Deutschland. In der RTK online z. B., die Anfang dieses Jahres veröffentlicht wurde, steckt enorm viel drin. Die Frage ist: Wie bekommen wir dieses Wissen in die Fläche transportiert und schon an der Basis umgesetzt? In jedem Fall benötigen wir allen Bereichen Handeln nach der Prämisse ‚maximale Qualität‘. Das würde ich gerne auch vorleben und das Behandeln der vielen Nebenthemen, die unseren Alltag bestimmen, bestmöglich reduzieren.“

Pauli: „Welche Nationen können Badmintondeutschland evtl. als Vorbilder dienen?“
Käsbauer: „Das sind einige. Über allem steht die Frage: Was ist eigentlich unser Maßstab? Für uns muss es darum gehen, zu schauen, wie es z. B. Frankreich und Dänemark machen, aber auch die dominierenden asiatischen Nationen. Trotzdem wollen wir unseren eigenen Weg zum neuen Olympiazyklus einschlagen und eigene ‚Weltklassetools‘ entwickeln und in Umsetzung bringen.

Gleichzeitig muss man konstatieren, dass wir uns in Teilen mit ganz anders ausgestatteten Systemen messen. Ein Beispiel: Es werden sicherlich asiatische Topspielerinnen und -spieler individuell ihre unmittelbare Wettkampfvorbereitung auf die Olympischen Spiele in Paris planen und bereits Wochen vorher nach Europa zur unmittelbaren Olympiavorbereitung kommen. Begleitet werden sie von einem Tross aus einer Vielzahl von Personen, darunter Trainingspartnerinnen und -partner, Trainer, Physiotherapeuten, Ärzte etc. Wir hingegen werden in Paris voraussichtlich mit zwei Trainern, einer Sparringsperson und einem Delegationsleiter dabei sein und haben hoffentlich den Vorteil, dass wir über die Zentrale noch auf unseren DBV-Verbandsphysiotherapeuten Stefan Kalteis zurückgreifen können, der für uns ja in den vergangenen Jahren häufig bei Badmintonevents als Physiotherapeut dabei war. Er ist in Paris für die gesamte deutsche Olympiamannschaft als Physiotherapeut vor Ort.“

Pauli: „Welches Ziel wird mit der neuen Stützpunktstruktur verfolgt?“
Käsbauer: „Die Ergebnisse der vergangenen Jahre zeigen, dass es Veränderungen braucht, um wieder erfolgreicher zu sein. Wir werden von vielen Nationen überholt, da die Qualität, die wir in die praktische Ausbildung unserer Spielerinnen und Spieler auf allen Ebenen – Landesverbände und Dachverband – einbringen, bisher nicht zu einem optimalen Ergebnis geführt hat. In der Theorie sind wir Weltklasse, den Transfer der Weltklasse auf den Court haben wir noch nicht geschafft. Insofern ist es gut, dass die Strukturänderung bzgl. der Stützpunkte ab Januar 2025 kommt. Denn wir haben auch gesehen: Um zum Erfolg zu kommen, benötigen wir eine klare Struktur, eine enge Personalführung und eine stetige Erreichung der Entwicklungsziele am Athleten bzw. an der Athletin. Dafür sind die entsprechenden Ressourcen, z. B. in Form von dem besten Trainerpersonal, das wir in unser System bringen können, unumgänglich. Um den Erfolg zu halten und weiter zu steigern, kostet es aber noch mehr Ressourcen. Wenn wir (wieder) Medaillen gewinnen wollen, müssen wir uns unbedingt fokussieren! Das tun wir künftig, indem wir – in einem aufeinander aufbauenden System – den Fokus auf die Elite, den Nachwuchs UND den Übergang vom Nachwuchs- in den Topbereich legen.“

Pauli: „Was braucht es ggf. über eine Strukturveränderung hinaus?“
Käsbauer: „Wir müssen uns auch auf die gesamtgesellschaftliche Mentalität, die aktuell vorherrscht, weiter einstellen. Das bedeutet, dass wir bei den Spielerinnen und Spielern in besonderer Weise die Lust aufs Wettkämpfen und die Lust auf Leistung zielstrebig weiter wecken müssen. Es ist – in allen Sportarten, dies betrifft aus meiner Sicht nicht allein uns als Badmintondeutschland – festzustellen, dass die Leistungsmotivation in den vergangenen Jahren insgesamt abgenommen hat. Gerne möchte ich auch das Thema ‚Siegermentalität‘ verstärkt angehen: Wir müssen uns faktenorientiert anschauen, warum wir mehr knappe Spiele verlieren als gewinnen. Darauf gibt es viele Antworten und mit diesem Thema möchte ich mich, auch begleitet von Expertinnen und Experten, intensiver befassen.“

Pauli: „Bei welchen Turnieren wirst du mit vor Ort sein?“
Käsbauer: „Es ist vorgesehen, dass ich bei Welt- und Europameisterschaften sowie bei unseren großen Turnieren in Deutschland, d. h. den YONEX German Open und den HYLO Open, dabei bin. In erster Linie begleiten die Disziplintrainer unsere Athletinnen und Athleten.“

Pauli: „Du hast in den vergangenen Jahren ja nicht allein als Bundesstützpunktleiter in Saarbrücken fungiert, sondern auch das Referat Lehre und Ausbildung im DBV geleitet und in dieser Funktion die Traineraus- und -fortbildung stark weiterentwickelt. Diese Aufgabe nimmst du vermutlich aufgrund deiner neuen Funktion künftig nicht mehr wahr?“
Käsbauer: „Genau, für diesen Bereich bin ich nach dem diesjährigen DBV-Verbandstag am 8. Juni nicht mehr verantwortlich. Einen gewissen Einfluss darauf wird meine neue Tätigkeit jedoch weiterhin haben – und das ist mir auch sehr wichtig! Qualifizierte Trainerinnen und Trainer sind unser ‚Motorraum‘.“

Pauli: „Vielen Dank für das Gespräch und viel Freude an und Erfolg bei deiner Aufgabe!“

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