Die diesjährige Jugend-WM war die beeindruckendste, die ich in den vergangenen neun Jahren miterlebt habe. Indonesien ist "badmintonverrückt" und das erlebt man bereits im Jugendalter. Einheimische Spieler werden in allen Spielen frenetisch unterstützt und die Gegner in entscheidenen Spielen bei jedem Schlag "ausgebuht". Dabei kommt aber nie eine aggressive Stimmung auf, sondern unterstreicht letztendlich, inwieweit Badminton hier gelebt wird. Das Turnier wurde als Event gefeiert. Live-Musik auf der Bühne, Mitmach-Aktionen, verschiedene Essensbuden und Marketing-Stände jeglicher Art sorgten fast zu jeder Tageszeit für eine tolle Atmosphäre.
Mit Rang 26 im Teamturnier unzufrieden
Nun zum sportlichen Teil: Mit dem Platz 26 im Teamturnier können und wollen wir nicht zufrieden sein. Mit dem Vize-Europameister Russland hatten wir einen starken Gegner in unserer Gruppe, der an dem Tag leider stärker war. Wir haben in allen Spielen alles gegeben und können uns in diesem Sinne keine Vorwürfe machen. Die Russen sind in dem Spiel etwas abgeklärter und lockerer gewesen und haben in den entscheidenen Situationen cleverer agiert.
Drei Stunden nach dem Russland-Spiel mussten wir uns in einer knappen Partie Kanada mit 2:3 geschlagen geben. Die Kanadier hatten zwei sehr gute Spieler und haben uns über diese Spiele den Zahn gezogen. Nach dem anstrengenden Vormittagsspiel fehlte uns am Ende die Kraft und Konzentration, um bei den extremen Umständen die entscheidenen Punkte zu machen. Positiv war der Sieg über Ungarn, die zwei Top 20-Spielerinnen in ihren Reihen haben. Man merkt immer mehr auch auf dem Welt-Niveau, dass es viele kleinere Nationen vereinzelt schaffen, Top-Spieler auszubilden und damit auch als Team gefährlich zu werden. Im Spiel gegen Hongkong konnten wir fast alle Sätze ausgeglichen gestalten. Am Ende fehlt uns die Erfahrung auf diesem Niveau und auch etwas die Überzeugung, eine sehr gute asiatische Nation zu schlagen, um in den entscheidenden Momenten die Punkte zu machen.
Die Zeit mit dem Team ging extrem schnell um. Die Stimmung in der Mannschaft war über die gesamte Zeit über gut bis sehr gut. In Erinnerung bleiben wird sicherlich unser Spiel gegen Hongkong, in dem viele einheimische Fans unsere "Bank" unterstützt hat.
Der Glaube an den Sieg hat oft gefehlt
Wir hatten eigentlich eine sehr gute Auslosung im Individualturnier. Nachdem wir im Teamturnier nur gegen eine asiatische Nation (Hongkong) spielen durften, hatten wir im Individualturnier viele asiatische Gegner. Wir wollen genau diese Gegner und müssen diese Herausforderung immer mehr suchen. Wir brauchen dieses Niveau, um uns weiter zu entwickeln. Wir haben es in diesen Spielen in vielen Bereichen gut gemacht. In zwei Spielen konnte Lukas Resch auch asiatische Gegner zu schlagen. Am Ende waren wir in knappen Partien aber noch zu häufig der zweite Sieger. Wir müssen uns bewusst sein, dass "Asien" nicht gleich "Asien" ist. Es steht außer Zweifel, dass wir von den Top-Spielern noch viel lernen können und diese bereits auf einem höheren Level stehen. Viele Spieler aus den asiatischen Ländern (Malaysia, Hongkong, Taiwan, etc.) sind aber von der Leistungsstärke mit guten Europäern zu vergleichen. Hier muss es unser Ziel sein, solche Spiele zu gewinnen. Der Abstand in den verlorenen Spielen war nur in ganz wenigen Ausnahmefällen groß. Wir müssen daran noch fester glauben, dass wir solche Spiele gewinnen können und in Zukunft auch werden. Es war schade, dass kein Spieler die dritte Runde überstanden hat. Von den gezeigten Leistungen her wären bei leichteren Auslosungen bessere Platzierungen möglich gewesen.
In Drucksituationen eine (einfache) Spielidee entwickeln
Ich kann mich an kein einziges Spiel erinnern, in dem wir nicht das Maximale versucht haben, um das Spiel zu gewinnen. Ein großes Lob hier an das gesamte Team. Die Maßnahme war für uns noch einmal sehr wichtig, da sie uns in vielen Bereichen gut aufgezeigt hat, in welchen Bereichen wir konkurrenzfähig sind und in welchen Bereichen wir Entwicklungspotential haben. Es war deutlich zu sehen, dass wir im Turnier-Stress, bzw. in knappen Situation noch besser unsere eigene Spielidee kennen müssen. Wir spielen häufig zu komplizierte Schläge, mit denen wir uns unser Spiel selbst erschweren. Zugleich müssen wir in den technischen Basics noch stabiler werden. Dieses betrifft insbesondere die Griffhaltung, den Laufrhythmus und die Übergangsschläge. Wir müssen es schaffen, eine gute Balance auf dem Feld zu halten und in allen Ballwechseln die ersten Schläge kontrollieren und offen gestalten zu können. Aus meiner Sicht ist dieses insbesondere eine "Bewusstseinsfrage".
Der Abstand zwischen Europa und Asien war bei dieser U19-WM enger, als bei den vergangenen Turnieren. Viele europäische Teams haben den Sprung unter die Top-16 im Mannschaftsturnier geschafft, bzw. die Anzahl an europäischen Spielern im Viertelfinale des Individualturniers war selten so hoch. Dieses zeigt einerseits, dass inzwischen viele europäische Nationen unser Niveau haben, bzw. daran arbeiten, Deutschland zu überholen.
Wettkämpfe in Asien als unersetzliche Erfahrung
Andererseits zeigt es aber auch, dass wir in Europa die Möglichkeit haben auch bereits auf einer Jugend-WM vordere Platzierungen zu erreichen. Frankreich hat nur um zwei Punkte die erste europäische Team-Medaille aller Zeiten verfehlt. Wir müssen es schaffen, unseren Spielern bereits im Jugend-Alter die Erfahrung zu geben, in Asien Badminton zu spielen. Diese Erfahrung ist mit keiner Maßnahme innerhalb Europas zu simulieren. Zugleich haben wir bereits auf europäischen Turnieren immer mehr die Möglichkeit, Spiele auf sehr gutem Niveau gegen europäische Gegner zu spielen. Diese Möglichkeit müssen wir immer mehr nutzen und mit unseren Spielern international Erfahrung sammeln. Badminton ist eine Wettkampfsportart und wir müssen unsere Spieler auch ausbilden "zu wettkämpfen", ohne dabei die langfristige technisch-taktische Ausbildung aus dem Auge zu verlieren.