Ingo Kindervater (Foto/Archiv: BadmintonPhoto)

Interview

Skills fürs Leben: Was macht eigentlich Ingo Kindervater?

Diemo Ruhnow, der leitende Bundestrainer Doppel/Mixed im DBV, sprach mit Ingo Kindervater, ehemaliger deutscher Doppelspezialist und Olympiateilnehmer als Spieler und Trainer, der mittlerweile als Chef-Trainer für den schottischen Badminton-Verband "Badminton Scotland" tätig ist.

Von Diemo Ruhnow

 

Ingo, als Head of Performance Badminton Scotland, was machst Du genau. Wie sieht Dein Alltag aus?
Ingo Kindervater: Als Head of Performance / Head Coach hier in Glasgow wechsle ich zweimal täglich zwischen Schreibtisch und Badmintoncourts hin und her. Ich bin natürlich im Courttraining involviert, aber kümmere mich dann vor allen Dingen um die Planungen und das Management um das Trainer- und Spielerteam sowie der Maßnahmen herum. Vielleicht auf den Deutschen Badminton-Verband projiziert so eine Mischung Martin Kranitz (Sportdirektor) und Detlef Poste (Chef-Bundestrainer), etwas kleiner natürlich vom System her. Insgesamt sind wir drei Trainer, so dass ich auch eine eigene Disziplin hauptverantwortlich leite.

Welche Disziplin ist dies und wer ist noch in Deinem Trainerteam?
Kindervater: Im Team sind noch Robert Blair, hauptverantwortlich für die Doppel und Alan Mcilvain, in Verantwortung für die Einzel und ich bin in beiden Gruppen mit drin sowie der Maincoach von Kirsty Gilmour, was so sehr gut passt.

Wen ich jetzt den Namen Robert Blair höre, ein alter Konkurrent oder? Wie ist das so im täglichen Arbeiten?
Kindervater: Es klappt sehr, sehr gut. Insgesamt haben wir es, glaube ich, geschafft, eine gute Stimmung und Zusammenarbeit zu schaffen – das war auch am Anfang ein großer Teil meines Jobs, hier die Grundlage dafür zu schaffen. So arbeitet unser kleines, aber beschauliches Trainerteam sehr gut und top motiviert zusammen. Das war für mich auch sehr interessant, in ein anderes System reinzukommen, neue Perspektiven kennenzulernen.

Du hast ja einige Jahre auch für „uns“ gearbeitet, also als Trainer am DBV-Doppelstützpunkt in Saarbrücken – wie war damals der Übergang vom Spieler zum Trainer für Dich?
Kindervater: Sehr abrupt. Anfang 2014 habe ich meine letzten Turniere gespielt und ein paar Monate später war ich bereits als Trainer in der Trainingsgruppe involviert. Den Plan haben wir am Ende der Karriere dann so aufgestellt, ich bat nur um eine kurze Auszeit, um meine Abschlussarbeit in BWL an der Fernuni Hagen zu schreiben.

Hattest Du schon länger mit dem Gedanken gespielt, Trainer zu werden – wie hängt dies auch mit dem BWL-Studium zusammen?
Kindervater: Die Idee kam schon sehr plötzlich und ich bin da auch etwas reingerutscht. Da ich auf meinen letzten Turnieren der Älteste war, hab ich relativ oft auch als zweiter Trainer ausgeholfen oder daneben gesessen, hab' oft dann auch Marc (Zwiebler, Anm.d.Red.), Fuchsi (Michael Fuchs, Anm.d.Red.) und Birgit (Overzier, Anm.d.Red.) gecoacht – und dann wohl auch einiges richtig gemacht, so dass ich gefragt worden bin, ob ich mir auch eine Bundeswehr-Trainerstelle vorstellen könne.
Davor hab ich mich damit eigentlich wenig beschäftigt. Ich dachte eher, dass ich aus dem Sport rausgehen würde und von daher auch das BWL-Studium. Aber im Endeffekt war es dann keine Entscheidung, die mir schwer gefallen ist – eine Bauchentscheidung, wo aber auch der Kopf gesagt hat, „ja, das ist es“.

Wieder ein paar Jahre zurück – zum Start Deines Studium, war es die ganze Zeit ein Fernstudium? Wie hat das geklappt, Studium und Leistungssport?
Kindervater: Es war komplett ein Fernstudium – der Hauptgrund war relativ einfach, damals zu meiner Bundeswehrzeit gab es nur diese eine Option, ein Studium mit Präsenz war noch nicht zugelassen. Es war dann schon eine Umstellung, es gab keinen festen Rahmen an Vorlesungen und Klausuren, sondern musste dies alles in meinen Turnierplan einbetten – dann gab es pro Semester mehrere dicke Ordner, die durchgearbeitet werden musste. Aber als ich dann erstmal drin war, ging es gut voran. Die Flexibilität des Fernstudiums war ein großes Plus, ich hatte meine Materialien immer dabei und konnte auf Reisen einiges schaffen. Ich hab es dann tatsächlich öfter geschafft, auf einem 10-Stunden-Flug nach Asien acht Stunden lange mich mit den Unimaterialen zu beschäftigen – hab es aber auch, und das war auch das Gute an dem Fernstudium, über meine ganze Karriere gestreckt um dann am Ende mit dem Diplom abzuschließen. Die Priorität lag klar auf der sportlichen Karriere, war dann aber auch gut daran, eben freie Zeiten stetig zu nutzen.

Fernstudium neben dem Leistungssport und Bundeswehr – ingesamt eine Belastung oder auch willkommene Abwechslung?
Kindervater: Beides (lacht). In den Phasen vor den Klausuren war es wie für jeden Studenten schon eine Belastung, denke aber auch, dass ich es ganz gut geschafft habe mit frühen Erinnerung setzen und ohne langes Vor-Mir-Hinschieben. Ich habe eigentlich nie auch Training verpasst, es war dann zu der Zeit einfach ein größeres Paket, was zu stemmen war. Einmal kam es vor, dass ich am Vormittag eine Klausur geschrieben habe und am Nachmittag dann bei den YONEX German Open auf dem Court stand. Aber das waren die absoluten Ausnahmen. Grundsätzlich, auch für mein Gewissen, war es gut neben der Spielerkarriere mir strukturiert etwas aufzubauen. Daher würde ich sagen es war beides, Belastung und Abwechslung.

In Deiner jetzigen Position, kommen Dir Inhalte aus dem Studium entgegen?
Kindervater: Ich denke ebenso, wie ein Studium einen auf einen Job vorbereitet – es ist ja selten so, dass man genau auf sein exaktes Aufgabenfeld vorbereitet wird. Gerade das BWL-Studium deckt ja vor allen Dingen verschiedene Bereiche ab – einige Bereich passen natürlich sehr gut. Gerade als Head of Performance habe ich viel mit Budgets, kurzfristigen und langfristigen Planungen, Management und Führung unseres Trainingsteams zu tun. Dies sind alles Inhalte, die sich mit denen aus der Wirtschaft decken, die natürlich im Studium behandelt werden. In meiner Abschlussarbeit habe ich mich mit dem Verhalten von Konsumenten beschäftigt und gerade dieser Bereich deckt sich durchaus mit meiner Arbeit – wie kann man bei den Athlet*innen bestimmte Verhaltensweisen und Entscheidungen begünstigen und unterstützen. Hier gibt es viele Überschneidungen.

Noch mal zurück zu Deiner Spielerkarriere, woran erinnerst Du dich gerne zurück?
Kindervater: Ich tue mich schwer, auf wenige Momente zurückzublicken. Es gab so viele in den ganzen Jahren. Insbesondere, wenn ich Ziele erreicht oder übertroffen habe, die ich mir gesteckt hatte, waren dies ganz besondere Momente für mich. Die erste EM-Medaille, die Olympiaqualifikation, aber ganz ehrlich – auch mein erster Deutscher Meistertitel, wo ich meine Zielstellung übertroffen hatte. Tatsächlich aber auch über die ganzen Jahre der Teamspirit, den wir so in Saarbrücken hatten und damit verbunden die Einsätze beim Thomas Cup und wir zusammen als Team unterwegs waren. Da haben wir viele tolle Sachen erlebt. Besondere Momente waren auch, wenn ich bestimmte Gegner geschlagen habe, die mir etwas bedeutet haben. Entweder frühere Idole oder aber, wenn wir einfach unsere Leistungen gegen Top-10-Spieler gebracht haben.

Als junger Spieler – wie war für Dich der Anschluss nach Saarbrücken nach dem Jugendbereich?
Kindervater: In der Jugend war ich quasi außerhalb des Systems: Bis ich 18 geworden bin, war es für mich schon ein großer Erfolg, mich überhaupt für Deutsche Meisterschaften und Ranglisten zu qualifizieren. Ich kann mich noch erinnern, dass ich einmal um Platz 11 gegen Roman Spitko gespielt habe (lacht). Einmal war ich im Halbfinale der Deutschen Jugendmeisterschaften U18, vor allen Dingen, weil ich eine gute Mixedpartnerin dort bekommen hatte.
Ich hab' immer versucht und mir ist es auch meistens gelungen, mich in meinem Trainingsumfeld nach vorne zu entwickeln und hatte immer den starken Drang, der Beste sein zu wollen. Hatte da dann auch das Glück, dass das Trainingsumfeld immer stärker geworden ist – damals ist ein sehr guter Spieler, Sören Bredenkamp, nach Hannover gekommen, mit ihm habe ich viel trainiert und bin dann viel besser geworden.

Dann hatte ich auch etwas Glück. Die Jahrgänge wurden verändert, vom 1.10. auf den 1.1. und aus U18 wurde U19. Da ich am 1.1. geboren war, war ich plötzlich mit Abstand der Älteste und viele von den anderen besten Spielen, z.B. die Tesche-Zwillinge, sind dann rausgefallen. Detlef Poste mir dann eine Chance gegeben bei einem internationalen Jugendturnier, mich mit dem größten Talent damals, Sebastian Schmidt, zusammengetan und wir haben das Halbfinale erreicht. Ab da war ich dann auf dem Zettel der Bundestrainer. Ein paar Jahre später kam schon mein erster Deutscher Titel bei den Erwachsenen – das war ich damals aus der Jugend noch nicht so gewohnt und daher auch ein besonderer Moment. Nach U19 durfte ich nicht direkt nach Saarbrücken, bin dann nach Bonn-Beuel gegangen, um mein Trainingsumfeld zu verbessern und so ist das Ganze Stück für Stück besser geworden.

Daher, ein bisschen Glück, aber auch der Antrieb und der Wille immer besser werden zu wollen, waren aus heutiger Sicht der Schlüssel zusammen mit den wachsenden Umfeldern, die ich mir auch gesucht habe. Ich hab' geschaut, was machen die anderen in meinen Trainingsgruppen und habe es schlicht versucht zu übertreffen.

Training in der Corona-Zeit in Schottland, wie sieht es aktuell aus, wie war das Jahr so für Dich und Deine Spieler?
Kindervater: Das Jahr war extrem lehrreich, herausfordernd, interessant und natürlich anstrengend. Der erste Lockdown hat bei uns 4 Monate gedauert, wir konnten nicht aufs Feld und konnten uns nicht sehen. Das war schon zäh. Aber wir haben uns in dieser Phase sehr gut kennengelernt. Wir haben es glaube sehr gut geschafft, mit Videoaustausch, Trainingseinheiten über Videos und somit einen halbwegs normalen Trainingstag für unsere Athleten zu bieten. Nach den 4 Monaten, auch in der 2.Welle, haben wir unsere Ausnahmeregelung erhalten, sind aber immer noch eingeschränkt – dürfen zurzeit auch nur in Trainingsbubblen von 6 Spielern trainieren, nicht durchmischen und Felder zwischendurch frei lassen. Organisatorisch ist dies sehr herausfordernd, weil wir somit alle Einheiten doppelt durchführen müssen, weil nicht alle gleichzeitig mit diesem Abstand in die Halle passen. Das Volumen mussten wir natürlich anpassen, aber es ist auch interessant zu sehen, wie man mit höherer Intensität und Qualitätsanforderungen das wenige Volumen kompensieren kann. Hier haben wir bewusst mit verschiedenen "Set-ups" experimentiert und es war interessant, wie die Leistung der Spieler sich darunter entwickelt.

Aber natürlich sehnen wir die Zeit herbei, dass diese Corona-Zeit bald zu Ende geht. Der ganze Arbeitsaufwand, gerade auch für mich mit der ganzen Organisation um Reisen und Maßnahmen ist einfach extrem hoch und zeitlich beanspruchend.

Ingo, vielen Dank für die ganzen Einblicke und das Interview und alles Gute weiterhin!

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