Nach der Olympiasaison 2016 hast du deine professionelle Badmintonlaufbahn beendet. Was hast du seitdem gemacht und wie hat sich dein Alltag verändert?
Ich würde fast sagen, mein Alltag hat sich um 180 Grad gedreht. In Saarbrücken war ich seit ich 16 oder 17 Jahre alt war – gegangen bin ich mit 29. Ich hatte meinen Rhythmus durch den Sport und habe in meiner Leistungssportwelt gelebt. Als es dann tatsächlich vorbei war, hat sich mein Leben mit Praktikum, Arbeit, Kind und Hochzeit komplett verändert. Im Sport war ich selbstständig und selbstbestimmt, jetzt bin ich für zwei Leute verantwortlich und muss ganz normal arbeiten gehen.
Was machst du aktuell beruflich?
Ich arbeite im Finanzbereich des Maschinenbaukonzerns Jungheinrich. Vor eineinhalb Jahren habe ich als Trainee angefangen. Davon gibt es weltweit pro Jahr nur zehn Stellen. Der Auswahlprozess war sehr hart, aber ich konnte glücklicherweise einen Platz ergattern. Eigentlich geht die Ausbildung zwei Jahre, in denen man die verschiedenen Bereiche wie Finanzen oder Produktion kennenlernt. Jetzt wurde ich sogar ein halbes Jahr früher aus dem Programm geholt und bin fest im Produktcontrolling mit strategischer Ausrichtung angestellt, was großartig ist.
Glückwunsch, das hört sich gut an! Wie war es denn in den Bewerbungsgespräch – wie wurde mit deiner längeren Studienzeit und deiner Leistungssportkarriere umgegangen?
Als ich aufgehört habe war ich in den letzten Zügen des BWL-Bachelors. Dann habe ich mich über die Deutsche Sporthilfe bei PwC - PricewaterhouseCoopers - beworben und dort in der Finanzberatung gearbeitet. Von der Stelle bei Jungheinrich habe ich meinem Schwager erfahren und habe meinen Lebenslauf hingeschickt. Nach diversen Telefoninterviews war ich im ersten Liveinterview von acht Bewerbern mit Abstand der älteste. Die anderen hatten einen klassischen, scheckheftgepflegten Lebenslauf und ich so gar nicht. Aber genau das fand mein Chef interessant. Er hatte von mir am wenigsten im Gespräch erwartet, aber ich war am besten vorbereitet. Das hat seine Vermutung bestätigt, dass Leistungssportler andere Voraussetzungen mitbringen. Ich würde sagen, Leistungssport plus mein Auftreten beim Bewerbungsgespräch hat mir die Stelle verschafft. Es kommt aber auch sehr darauf an, wer einem gegenübersitzt. Wer noch nie Sport gemacht hat, wird auch nicht einschätzen können, was es bedeutet, Leistungssportler gewesen zu sein.
Welche Qualitäten brauchst du in deinem Job und wie kannst du von deiner Erfahrung als Leistungssportler profitieren?
Für die fachlichen Seiten absolut gar nicht. Ich brauche sehr viel finanztechnische Sachen. Ich merke aber, dass die innere Einstellung entscheidend ist. Durch den Sport lernt man ja, mit den verschiedensten Situationen umzugehen, Wege zu finden und dranzubleiben. Dann ist es auch egal, ob es 35 Stunden oder mehr sind, die man arbeitet, solange man die richtige Einstellung hat. Den absoluten inneren Antrieb sich ständig entwickeln zu wollen, die Disziplin es auch zu machen. Man tut es einfach, weil man es die ganzen Jahre so gewohnt war und sich diese Eigenschaft in einem entwickelt. Das ist riesen Vorteil vielen anderen Arbeitnehmer gegenüber. Das sind Skills, die man nicht an der Uni lernt.
Welche Gedanken über deine berufliche Zukunft hast du dir in der Zeit nach der Schule gemacht, als du dich für den Leistungssport entschieden hast?
Ich war in der Jugend relativ erfolgreich, da ist es natürlich leichter, dranzubleiben. Die meisten meiner Freunde, mit denen ich in Kaiserslautern angefangen habe, sind diesen Weg nicht gegangen, obwohl sie genauso leidenschaftlich dabei waren wie ich. Aber der Erfolg muss sich einstellen, um den nächsten Schritt machen zu können. Bei mir war es so: ich durfte und wollte unbedingt den nächsten Schritt machen. Deswegen habe ich gar nicht an meine berufliche Karriere gedacht, sondern nur an Badminton. Das war meine Welt. Ich bin dann relativ schnell in die Bundeswehr gekommen und konnte mich voll und ganz auf Badminton konzentrieren. Mein Studium habe ich ziemlich spät mit 24 gestartet, nach meiner ersten großen Verletzung. Das würde ich heute anders machen.
Also hättest du gerne eher angefangen zu studieren?
Ja, ich habe am Anfang außer Badminton wenig gemacht. Man hat ja nebenbei auch Zeit, speziell in der Jugend, wenn man noch nicht die großen Turniere bereist. Die Zeit hab ich verschlafen. Ich sehe, dass die jetzigen Spieler wie Kai, Lars oder Fabi das anders machen. Die haben ein Jahr nach der Schule Pause gemacht und dann angefangen zu studieren. Das ist absolut der richtige Weg. Ich würde empfehlen, das Studium früh, aber ohne Stress – quasi als Ausgleich – zu machen, um neben dem Sport auch etwas anderes zu haben.
Finanziell betrachtet haben viele das Bild, dass Badminton wenig lukrativ ist – lohnt es sich trotzdem, diesen Weg einzuschlagen?
Wenn die Sporthilfe nicht da wäre, könnten viele Sportler ihre Sportart gar nicht ausführen. Die haben mich seit der Jugend gefördert. Dann bin ich direkt nach der Schule zur Bundeswehr gegangen, die monatliche Unterstützung ist natürlich auch eine riesen Entlastung. Durch die ganzen Lehrgänge und die Grundausbildung muss man natürlich erstmal durch, aber es hat eine gewisse Ruhe in meine Karriere reingebracht. Bis auf die letzten zwei Jahre meiner Karriere hatte ich Yonex als Partner. Mit der Bundesliga waren das die vier Pfeiler meiner finanziellen Grundlage. Damit habe ich eine sehr gute Basis gehabt, mein Leben als Sportler leben zu können, ohne finanzielle Sorgen zu haben. Man kann es aber schwer pauschal sagen. Die Topleute bei uns konnten sicherlich ganz gut davon leben – nicht, dass sie danach ein Restaurant eröffnet hätten und jetzt nur noch TV-Moderator sind und fertig. Aber wir hatten auch Leute, die im Training das gleiche geleistet haben und andere Ergebnisse hatten, was ich auch finanziell ausgewirkt hat. Es hängt einfach viel von deiner Leistung ab, wie groß dein finanzieller Spielraum am Ende ist. Aber speziell im Badminton, wenn jeder sich zwei, drei Pfeiler aufbaut, kann man im Vergleich zu anderen Sportarten sein Leben gut finanzieren.
Wo du gerade von Leistung sprichst – auf welche Momente deiner Karriere blickst du besonders gerne zurück, was vermisst Du?
Die besonderen Momente die den Sport mit ausmachen. Der Moment und das Gefühl dabei, in einem wichtigen Spiel den Matchball verwandelt zu haben. Egal ob bei einem Turniersieg, einem entscheiden Punkt für die Nationalmannschaft oder einfach in einem wichtigen Spiel. Dieses „High“ bekommt man nur sehr schwierig im Berufsleben und ist genau der Grund weshalb man die ganzen Strapazen des Leistungssports auf sich nimmt. Das ist auch was ich absolut vermisse.
Für mich waren die Mannschaftsevents am coolsten. Da habe ich auch gefühlt am besten gespielt. Mit dem Team unterwegs zu sein, war sehr speziell für mich. Das waren ja nicht nur alles Kollegen, sondern sind Freunde geblieben. Das war wie eine Clique, die unterwegs ist und Deutschland repräsentiert – und das teilweise auch sehr erfolgreich. Für mich persönlich waren die European Games in Baku ein spezielles Turnier. Da die Bronzemedaille zu gewinnen war ein kleiner Olympiaersatz für mich.
Was würdest du jungen Badmintonspielern mit auf den Weg geben?
Meine Empfehlung, die ich geben kann: sich auf den Sport konzentrieren, sich dem komplett widmen, weil es nur halb zu machen, bringt nichts. Und es ist aber auch ein gutes Gefühl, wenn man sich nebenbei eine Karriere aufbaut – wie es halt möglich ist. Badminton ist da eine sehr ausgeglichene Sportart. Fast 100 Prozent der Leute studieren nebenbei. Das gibt es so ähnlich nur im Hockey. Das ist meiner Meinung nach auch der Schlüssel, um eine gewisse Ruhe in den Sport zu bekommen. Keiner von uns hat Angst gehabt vor der Zeit danach, weil man die Basis gelegt hatte.
Angenommen, du bist nochmal 17 Jahre alt, würdest du dich erneut für die Badminton-Karriere entscheiden?
Als ich mich vor rund zehn Jahren entscheiden musste, da war Badminton auf einem ganz anderen professionellen Level als jetzt – wie die Turniere ausgerichtet sind, die Preisgelder, die sich entwickeln und die Unterstützung. Das ist alles viel professioneller geworden. Auch mit den Trainern. Deswegen würde ich das mit dem Badminton auf jeden Fall nochmal machen. Im Leistungssport gibt es zwei Perspektiven: Die einen wollen so erfolgreich wie möglich werden, da zählt nur das Ergebnis. Aber Leistungssport ist auch ein bisschen mehr als nur Ergebnis, da zählt auch der Weg dahin, die Leute, die man kennenlernt und die Zeit, die man miteinander verbringt, die Eigenschaften, die man sich aneignet. Das Ganze ist ein Prozess, ein Werdegang, ein bisschen wie eine Lebensschule und das will ich niemals missen wollen. Ich war nie der erfolgreichste Badmintonspieler, aber das, was neben der ganzen Badminton-Geschichte ist, das was ich gelernt habe und was der Sport aus mir gemacht hat, das ist etwas, weshalb ich es nochmal machen würde.