Für Hellmann selbst sind die Erfolge der vergangenen zweieinhalb Jahre noch immer etwas surreal: „Mit dem WM-Titel habe ich nicht unbedingt gerechnet, aber ich habe ihn zu diesem Zeitpunkt auch nicht mehr komplett ausgeschlossen. Es war nur etwas überraschend, die Weltmeisterschaft vor der Europameisterschaft zu gewinnen, aber ich möchte mich natürlich nicht beschweren.“
Ein Stück weit war dieser rasante Aufstieg allerdings auch vonnöten. Denn als sich das Doppel aus Wandschneider und Hellmann kurz nach den Paralympics in Tokio 2021 neu formierte, starteten die beiden im wahrsten Sinne des Wortes bei null: „Wir hatten zu diesem Zeitpunkt keine Weltranglistenpunkte. Doch wir mussten unbedingt richtig durchstarten, denn wenn wir bis zum Beginn des Qualifikationszeitraumes für Paris nicht unter die besten zwölf Doppel der Welt gekommen wären, hätten wir keine großen Eliteturniere spielen dürfen und mit der Paralympics-Qualifikation wäre es im Einzel wie im Doppel extrem schwer geworden“, erinnert sich Hellmann. Ein schwieriges Unterfangen, welches das Duo jedoch mit Bravour meisterte. Zu Beginn des Qualifikationszyklus für Paris hatte sich das Paar bereits bis auf Platz neun der Weltrangliste vorgearbeitet und eilt seitdem fast von einem Erfolg zum nächsten.
Allerdings gab es bei der jüngsten WM im Februar in Thailand einen kleinen Dämpfer. Im Einzel wie im Doppel kam Hellmann nicht über Platz fünf hinaus. „Natürlich ist es schade, dass wir unseren Titel nicht verteidigen konnten, aber das oberste Ziel in diesem Jahr war sowieso nicht der Gewinn der Weltmeisterschaft. Der Fokus lag immer auf den Paralympics“, sagt Hellmann.
Der Traum beginnt beim Rollstuhlfechten
Sport spielt im Leben des Athleten des VfL Grasdorf bereits früh eine große Rolle. Als Kind beginnt Rick Hellmann mit Schwimmen und Laufen. Mit elf Jahren stellte sich dann heraus, dass eine zusätzliche Ader aus seinem Herzen direkt ins Rückenmark gewachsen war und dort die Nerven gequetscht hatte. Eine inkomplette Querschnittlähmung war die Folge. Den Spaß am Sport ließ sich Hellmann dadurch allerdings nicht nehmen. Zunächst entdeckte er das Rollstuhlfechten für sich und brachte es dort sogar bis zur deutschen Vize-Meisterschaft mit dem Florett und hegte seinerzeit bereits Träume von einer Paralympics-Teilnahme: „Der Gedanke an die Paralympics ist schon 2004 in Athen aufgekommen. 2008 kam dann aber das Abitur und 2012 der Master in die Quere“, blickt Hellmann zurück, der heute als Doktorand an der Berliner Charité tätig ist. Kurze Zeit später musste er das Rollstuhlfechten aufgrund von gesundheitlichen Problemen aufgeben – was folgte, waren ein paar Jahre ohne Para Sport.
Eine zufällige Begegnung auf einem Bahnsteig in Berlin, bei der er zu einem Probetraining beim RSC Berlin eingeladen wurde, brachte ihn dann schlussendlich zurück in den Para Sport. Zunächst probierte er sich durch einige Sportarten, von Rollstuhlbasketball über Para Tischtennis. Am Ende blieb er aber beim Para Badminton, der Sportart, in der er 20 Jahre nach dem Beginn seines Traumes endlich an den Paralympics teilnehmen wird.
Der große Wunsch: Auf die Paralympics-Medaille folgt der Doktortitel
Anspannung macht sich so kurz vor dem Erreichen seines großen Zieles noch nicht bei Hellmann breit: „Nervosität spüre ich bisher kaum. Die kommt vielleicht erst, wenn man dann das Paralympische Dorf oder die Wettkampfstätten sieht.“ Zumal es mit der Teilnahme allein nicht getan sein soll. Hellmann und Wandschneider – genauso wie Marcel Adam, der dritte deutsche Para Badminton-Spieler in Paris – haben sich ein weiteres historisches Ziel gesetzt: Nachdem ihre Sportart in Tokio erstmals Teil des paralympischen Programms war, wollen sie in der französischen Hauptstadt nun für die erste deutsche Medaille im Para Badminton sorgen. „Das ist etwas, das wir im Team als klares Ziel aussprechen“, lässt Hellmann verlauten.
Gute Chancen auf diese historische Medaille sieht er für sein Erfolgs-Doppel mit Wandschneider: „Eine Silbermedaille halte ich absolut für möglich, auch wenn das schon ein hohes Ziel ist, denn die Spitze ist mittlerweile so eng zusammengerückt, dass sich fünf von acht Doppeln zumindest mal berechtigte Hoffnungen auf die Silbermedaille machen dürfen. Es wird also auch viel von der Auslosung abhängen.“ In der Weltrangliste belegt das deutsche Duo derzeit den vierten Platz.
Im Einzel seiner Startklasse WH2 wird Hellmann derzeit als Nummer sechs der Welt geführt. Hier schätzt er seine Möglichkeit auf einen Medaillengewinn deutlich geringer ein: „Im Einzel wäre das Halbfinale aus meiner Sicht schon ein Erfolg.“ Der Grund: Das Teilnehmerfeld wurde von neun auf zwölf Athleten aufgestockt. Also wird zu Beginn des Turniers nicht in drei Dreiergruppen gespielt, von denen dann jeweils die ersten beiden in die nächste Runde eingezogen wären. Stattdessen wird in vier Dreiergruppen gespielt, in denen dann nur der Erste ins Halbfinale einzieht.
Doch egal, ob es am Ende eine Medaille geben sollte oder nicht: Nach den Spielen in Paris möchte sich Hellmann erstmal auf die Fertigstellung seiner Doktorarbeit im Bereich der Biomedizin und auf seine Familie konzentrieren. Die Spiele in Los Angeles 2028 behält er dennoch im Blick: „Der Sport und die Qualifikation für Los Angeles bleiben natürlich präsent. Aber erstmal werde ich dem Sport nicht mehr alles so extrem unterordnen wie in den vergangenen drei Jahren. Denn das große Ziel, bei den Paralympics dabei zu sein, habe ich jetzt erreicht.“