Dienstagmorgen. Rick Cornell Hellmann und ich treffen uns im Süden Berlins beim Bäcker. Rick gönnt sich nach den intensiven Tranings- und Wettkampfwochen mit einem Lächeln zwei Stücke Mohnkuchen. Wir setzen uns an einen Tisch auf dem Parkplatz vor dem Bäcker. Es fällt ihm schwer, nach den Erfolgen vom Wochenende runter zu fahren, sagt er.
Am Wochenende hat Rick zweimal Gold bei den Europameisterschaften im Para-Badminton geholt. Zunächst mit seinem Partner, Thomas Wandschneider, im Doppel und anschließend auch noch im Einzel. Die Qualifikation für die Paralympics ist geschafft. Rick lächelt viel. Zu Beginn noch etwas aufgeregt, wie auch ich, im Laufe des Gesprächs immer entspannter und locker plaudernd.
Was für eine Leistung?! Nach dem WM-Titel im Doppel letztes Jahr nun also doppelter Europameister.
Rick ist seit seinem elften Lebensjahr auf den Rollstuhl angewiesen. Eine zusätzliche Ader, die aus seinem Herzen wuchs, hat auf Nervenbahnen gedrückt und so eine partielle und inkomplette Querschnittslähmung ausgelöst. Er könne im Notfall ein paar Schritte gehen, spüren tut er jedoch nichts in den Beinen. So habe er sich als Kind mal beim Wärmen der Füße eine Verbrennung zugezogen, weil er nicht wahrnahm, wie heiß das Wasser war.
Wenn die Diagnose früher erkannt worden wäre, wäre die Querschnittslähmung wohl zu verhindern gewesen. So aber verpasst er große Teile des zweiten und dritten Schuljahres und ist erst wieder – nach dem Abkleben der zusätzlichen Ader, wie er es nennt und der Reha im Anschluss an die OP – im vierten Schuljahr regelmäßig in der Schule. Seinen guten schulischen Leistungen tut das keinen Abbruch. Zum Ende der Grundschulzeit gehört er von den Noten her zu den besten Schüler*innen. Während seiner Abwesenheit stand er in Kontakt mit den Lehrer*innen, erhielt die Inhalte bereitgestellt und sagt mit einem Lächeln, dass er einfach überall eine "3" erhalten habe.
Rick war schon immer auf Leistung im Sport aus, sagt er. Vor seiner Behinderung waren es hauptsächlich Schwimmen und Laufen. Selbstbewusst fügt er hinzu, dass sein Weg zu Olympia geführt hätte. Ob nun im Para-Badminton oder auch im Rollstuhlfechten, wo er es bis zur Vizemeisterschaft in Deutschland geschafft hat. Schon von klein auf war Ricks Wunsch, sich für Olympia zu qualifizieren. Nun werden es also die Paralymics. Faszinierend.
Kein ganz einfacher Weg. Wir sprechen auch über Barrieren im Sport und unserer Gesellschaft, die es Menschen mit Behinderung schwerer machen, als Menschen ohne Behinderung, sich durch unsere Welt zu bewegen. So müssen Reisen von Rollstuhlfahrer*innen mit der Bahn beispielsweise mindestens 24 Stunden vor der Reise angemeldet werden. Bei Verspätungen der Züge kann es auch mal vorkommen, dass Ein- und Ausstiegshilfen nicht mehr verfügbar sind. Auch sind Reisen nur innerhalb bestimmter Tageszeiten möglich, da sehr früh morgens und sehr spät abends keine Hilfen zur Verfügung stehen.
Eine Sporthalle, in der Rick trainiert, hat die Toilette im ersten Stockwerk, das nur über eine Treppe erreicht werden kann. Manche Sporthallen haben keine Rampen und Fahrstühle und sind somit exklusiv für Menschen ohne Rollstuhl. Bei Rick führte das dazu, dass er einen Verein, in dem er gern trainieren würde, nicht mehr besucht. Für einen Leistungssportler sind diese Bedingungen nicht sonderlich optimal.
Um Barrieren – sowohl physische als auch psychologische – abzubauen, ist für Rick der Kontakt das A und O. Menschen mit und ohne Behinderung zusammen bringen – auch medial – das könne helfen. Er selbst agiert hier sehr offen.
Als Rick nach Ansprache auf der Straße erstmals einen Rollstuhlsportverein besucht und hier schon schnell merkt, dass er auch mit Menschen ohne Behinderung Badminton spielen möchte, ruft er Vereine an, erwähnt am Telefon nichts von seinem Rollstuhl und steht kurze Zeit später auf der Matte bzw. in der Halle. Sätze, die er selbst noch nicht gehört hat, wie beispielweise „Oh das ist ja ein Behinderter, wie baue ich den ins Training ein?“ scheint er durch seine offene und direkte Art zu verhindern: „Bevor die Leute Nein sagen können, bin ich da.“ Bewusst sind ihm Formen der Diskriminierung und Exklusion dennoch und so nennt er die Relevanz von medialer Berichterstattung als einen wichtigen Faktor. Wir sprechen zudem über die Relevanz der Aufstellung von inklusiven Sportvereinen, die im Kopf beginnt.
Inklusive Sportvereine, die dazu beitragen können, dass das deutsche Para-Badminton für die erste olympische Medaille in unserem Sport sorgt. „Ich würde sagen, wir können eine Medaille in Paris holen. Vielleicht ist sogar jede der drei Medaillen möglich.“ Für Rick jedenfalls ist „Sport die Priorität Nummer eins.“ Erstmal freue er sich nun auf zwei Wochen körperlicher und mentaler Erholung, in der aber dennoch auch weiterhin Sport ansteht. Dann geht es weiter mit Reisen nach Hannover meist alle zwei Wochen für drei Tage an den Bundesstützpunkt zum Training mit seinem Doppelpartner. Bis zu den Spielen in Paris stehen noch Turniere in Dubai, Japan und die WM in Thailand an.
Für den sportlichen Erfolg trainiert Rick oftmals an sechs Tagen in der Woche. Regelmäßig ist er dafür beim BC Tempelhof, beim TSV Tempelhof-Mariendorf und in der Halle der Grundschule Neues Tor beim Sport des Bundesministeriums für Wirtschaft Berlin.
Auf seinem Weg unterstützen Rick neben seiner Familie und vielen weiteren Personen besonders sein Sponsor YONEX, das Team BEB, die Berliner Sporthilfe, der DBV, der DBS und die Olympiastützpunkte Berlin und Niedersachsen mit deren Teams. Wenn auch du Rick unterstützen möchtest, beispielsweise mit einem Auto, das mit Handgas betrieben werden kann, nimm gern Kontakt zu ihm auf (Insta: @rickcornellhellboy).