Marvin, beim Thomas-Cup-Finale habt Ihr im Gruppenspiel gegen Japan die Weltranglistensechsten Keigo Sonoda/Takeshi Kamura besiegen können. Was lief in Bangkok besser als noch bei der WM oder beim Sudirman-Cup, wo ihr relativ klar verloren habt?
Marvin Seidel: Wir wussten schon bei den vorhergegangenen Spielen, dass wir die beiden schlagen können. In jedem Spiel hatten wir Phasen, in denen wir die Kontrolle über das Spiel hatten, konnten diese aber nicht über das gesamte Match halten. In Bangkok sind wir deshalb mit großem Selbstbewusstsein auf's Feld gegangen und ich denke, das hat uns geholfen, die schwierigen Phasen des Spiels diesmal schneller zu überwinden und so das Spiel letztendlich zu gewinnen.
Warum funktioniert es mit Mark Lamsfuß so gut?
Seidel: Mark und ich sind außerhalb des Feldes sehr gut befreundet. Ich denke, das hilft uns als Doppel. Wir können so auch kritische Themen gut ansprechen und suchen trotzdem immer nach konstruktiven Lösungen. Hinzu kommt dann natürlich auch, dass wir uns spielerisch sehr gut ergänzen.
Hattest Du als Nachwuchsspieler Vorbilder?
Seidel: Natürlich hat man als Nachwuchsspieler Vorbilder. Ich habe vor allem Michael Fuchs bewundert, da er immer sehr konzentriert und hart arbeiten konnte. International habe ich sehr zu Zhang Nan aus China aufgesehen.
Erkläre uns doch mal den Unterschied zwischen der Spielweise eines Weltklasse-Herrendoppels aus Europa und aus Asien …
Seidel: Ich denke, dass die europäischen Doppel deutlich mehr Wert auf Taktik und Aufschlagsituation legen. Während die Asiaten sich eher auf Ihre physischen Stärken verlassen und versuchen, das Spiel besonders schnell zu machen.
Wie bereitet Ihr euch auf gegnerische Duos vor?
Seidel: Im Moment versuchen wir eigentlich hauptsächlich uns auf uns selbst zu konzentrieren und unsere Aufgaben auf dem Feld bestmöglich zu erfüllen. Wir wissen, dass wir extrem gut spielen, wenn wir das schaffen. Nichtsdestotrotz analysieren wir, aber hauptsächlich auch unsere Trainer, natürlich die Gegner. Vor den Spielen bekommen wir dann meist noch ein paar kleine Anweisungen oder Anmerkungen zu Besonderheiten der gegnerischen Paarung. Das Hauptaugenmerk liegt aber definitiv auf uns.
Ich bin vor allem im mentalen Bereich besser geworden. Ich verlasse mich mehr auf meine Stärken und habe gelernt, mich zum Beispiel bei kritischen Entscheidungen der Schiedsrichter oder 'Spielchen' der Gegner ruhiger zu verhalten
DBV-Sportdirektor Martin Kranitz sagte vor kurzem im DBV-Interview, dass die jüngere Generation der Nationalspieler einen Entwicklungsschritt vollzogen hätte. Wenn Du dich mit vor einem Jahr vergleichst, in welchen Bereichen bist Du als Badmintonspieler heute besser?
Seidel: Ich würde sagen, dass ich vor allem im mentalen Bereich besser geworden bin. Ich verlasse mich mehr auf meine Stärken und habe auch gelernt, mich bei zum Beispiel kritischen Entscheidungen der Schiedsrichter oder 'Spielchen' der Gegner ruhiger zu verhalten. Das war meiner Meinung auch mit ein Grund, warum wir das Spiel gegen Hongkong beim Thomas Cup gewonnen haben. Ich denke, vor einem Jahr hätten wir das noch verloren.
Saarbrücken ist als Trainingszentrum seit vielen Jahren die Heimat von zahlreichen Nationalspielern. Aber Du bist ja der einzige echte Saarländer im Team. Machst Du Tourismusführungen - oder hilfst bei Verständigungsproblemen?
Seidel: Das ist in der Tat richtig und ich kann mich auch wirklich glücklich schätzen, dass dem so ist. Da ich dadurch der einzige Spieler bin, der bisher nicht umziehen musste und Familie und Freundeskreis direkt um mich herum habe. Tourismusführungen habe ich allerdings bisher noch keine gemacht (lacht). Verständigungsprobleme sind - soweit ich weiß - auch nur vereinzelt aufgetreten, aber falls Bedarf besteht, gebe ich natürlich gerne ein bisschen Nachhilfe in ‚Saarlännisch‘.
Vielen Dank für das Gespräch!