Es war auch ohne Aufreger ein echter Thriller. Chou dominierte den ersten Satz (21-18), Ginting schlug im zweiten Durchgang zurück (21-11). Im Entscheidungssatz sah Ginting wie der klare Sieger aus und führte zeitweise mit acht Punkten. Doch Chou gab sich nicht geschlagen und wehrte bis zur Kontroverse beim Spielstand von 22-22 ganze sechs Matchbälle ab.
Die Szene: Der Schiedsrichter unterbrach den laufenden Ballwechsel und erkannte eine Bodenberührung des Federballs auf Chous Seite. Der 32-Jährige protestierte umgehend vehement, „Ich spiele nicht weiter!“ rief er aufgebracht auf dem Feld. Der Referee schaltete sich ein, die Entscheidung hatte trotz heftiger Debatten Bestand. Ginting verwandelte schließlich seinen siebten Matchball und entschied den Entscheidungssatz (24-22) und damit das Match für sich.
Zahlreiche Fotos von Sven Heise vom Finaltag in Saarbrücken wurden auf der DBV-Facebookseite veröffentlicht.
Chou regt Regeländerung an
„Ich weiß, dass ich die Situation nicht mehr ändern kann. Aber ich möchte, dass der Weltverband eine mögliche Regeländerung in Betracht zieht, damit sich solche Szenen in Zukunft nicht wiederholen“, erklärte Chou. Konkret fordert Chou damit eine Einführung ähnlich des Hawkeyes, also eines Videostudiums, das bei knappen Entscheidungen der Linienrichter und -richterinnen als entscheidungsgebende Referenz herangezogen werden kann.
Über die Kontroverse hinweg soll nicht vergessen werden, dass der Indonesier Ginting ein herausragendes Turnier spielte. Der 26-Jährige trat in jedem Match dominant auf, besiegte unter anderem Vorjahressieger Loh Kean Yew ohne Probleme. „Ich könnte nicht glücklicher sein“, sagte Ginting im Anschluss, der sich auch über den großen indonesischen Support in Saarbrücken freute.
Taiwan liefert Show in der Saarlandhalle
Abseits der Diskussionen im Herreneinzel bot auch das nationeninterne Finale im Herrendoppel eine spektakuläre Show. Das Duo aus Taiwan, Lu Ching Yao und Yang Po Han, gewannen gegen ihre Landsmänner Lee Jhe-Huei und Yang Po-Hsuan (11-21, 21-17, 25-23). Beide Seiten vergaben im Entscheidungssatz jeweils zwei Matchbälle, ehe Lu beinahe im Liegen den Federball noch über das Netz bugsierte und den Gewinn der HYLO Open sicherte.
Im folgenden Siegerinterview fungierte Einzelspezialist Chou Tien Chen, der später am Abend noch viel stärker in den Mittelpunkt rücken sollte, als Übersetzer „Wir arbeiten sehr hart, endlich zahlt sich das aus“, freute sich Lu. „Wir vertrauen uns in jeder Situation. Ich habe nie über den Titel nachgedacht, das machte es einfacher und entspannter“, gestand Yang.
Han Yue gewinnt chinesisches Damen-Finale
Nachdem das Doppel in der vergangenen Woche noch im Finale der YONEX French Open unterlag, feierten Lu/Yang nun ihren ersten Titel auf der World Tour. Auf dem Weg zum Triumph in Saarbrücken hatten die Athleten aus Chinesisch Taipeh unter anderem die an Position zwei gesetzten Dänen Astrup/Rasmussen besiegt.
Der Gewinn eines BWF Super 300-Turniers ist für Han Yue unterdessen keine neue Erfahrung. Die Chinesin musste allerdings vier Jahre nach ihrem Sieg in Indien warten, ehe die nächste Trophäe in die Vitrine wandert. Im Finale des Damen-Einzels gewann die 22- Jährige gegen ihre Landsfrau Zhang Yi Man in zwei Sätzen (21-18, 21-16).
Dabei lag die spätere Siegerin im ersten Satz schnell mit 4-12 hinten. Beim Stand von 15-18 zog Han an und machte sechs Punkte in Serie zum Satzgewinn. Ab diesem Moment war der Triumph nur noch wenige Minuten entfernt, Zhang hatte im zweiten Durchgang keine Chance. „Zu Beginn hatte ich Probleme, das Tempo mitzugehen. Ich habe mich dann ganz auf mich konzentriert und von Punkt zu Punkt gedacht. Der Titel ist ein weiterer Schritt auf dem Weg nach vorne“, sagte Han.
Aimsaard-Schwestern „haben weiter Spaß“
Auch im Damen-Doppel stand die Siegernation schon im Vorfeld fest. Im Endspiel standen die beiden thailändischen Doppel Jongkolphan Kititharakul/Rawinda Prajongjai und Benyapa Aimsaard/Nuntakarn Aimsaard. Erstere waren die einzigen top-gesetzten Spielerinnen, die ihrem Setzplatz gerecht wurden und bis ins Finale einzogen.
Dort unterlagen die beiden 29-Jährigen allerdings ihren formstarken Landsfrauen. Die Aimsaard-Schwestern schafften in diesem Jahr den großen Durchbruch und feierten nach einem engen Dreisatzspiel (21-10, 18-21, 21-17) schließlich ihren zweiten Titel auf der World Tour.
„Wir hatten einfach Spaß auf dem Feld und hatten nichts zu verlieren. Das war bestimmt ein Vorteil. Selbst ein zweiter Platz wäre ein großer Erfolg für uns und für Thailand gewesen“, freuten sich die Schwestern.
Indonesische Favoritenschrecks triumphieren
Im Mixed marschierten die großen Shootingstars der Woche zum verdienten Titelgewinn. Rehan Kusharjanto und Lisa Kusumawati schalteten auf dem Weg ins Finale schon das an Position drei gesetzte Europameisterduo Mark Lamsfuß und Isabel Lohau sowie das an Position fünf gesetzte dänische Doppel Mathias Chriatiansen/Alexandra Böje aus.
Selbst die chinesische Olympiasiegerin Huang Dong Ping und ihr neuer Partner Feng Yan Zhe konnten das Mixed der Stunde nicht aufhalten. Im Finale der HYLO Open setzte es eine klare Niederlage (15-21, 17-21). Die beiden 22-jährigen Indonesier Kusharjanto/Kusumawati nahmen damit nicht nur Revanche für die Niederlage gegen Feng/Huang vor zwei Wochen bei den Denmark Open, sondern feiern gleichzeitig ihren ersten großen Karriereerfolg.
Kusharjanto hat kleine Tränen in den Augen
„Es ist ein großartiger Moment, ich weine sogar ein bisschen“, lachte Kusharjanto: „Wir haben so viel trainiert, das zahlt sich aus.“ Beide Athleten freuten sich über den großen indonesischen Support in der Saarlandhalle, „das motiviert extra“, gab das Doppel von Weltranglistenplatz 26 zu.
Dann folgte das Herren-Einzel und die Szene, die dafür sorgen dürfte, dass die HYLO Open 2022 im kollektiven Gedächtnis vieler Badmintonfans bleiben werden.
Mehr Infos zum Turnier unter: www.hylo-open.de.