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"Badminton braucht eine gewisse Leichtigkeit und Lockerheit"

Franklin Wahab begeistert mich von Anfang bis Ende unseres Gespräches. Seine offene und humorvolle Art ist angenehm und mitreißend. Nach dem Abitur fuhr Franklin dreigleisig. Er spielte selbst 1. und 2. Bundesliga bei der SG Anspach, übernahm Co-Traineraufgaben in Hessen und studierte Volkswirtschaft.

Von Michael Clemens

 

Nachdem er sein Studium als Diplomvolkswirt im Jahr 2005 abschloss, wurde ihm schnell klar, dass er diesen Beruf nicht auf Dauer ausführen möchte. Nachdem ihm der Hessische Badminton-Verband (HBV) 2013 das Angebot machte, Landestrainer zu werden, beschloss er seinen bisherigen Schreibtischjob zu kündigen und 'Büro' gegen 'Halle' zu tauschen. Seitdem entwickelt und begeistert er schon seit einigen Jahren neue junge Talente in Deutschland.

Auf die Frage, ob der Landestrainerberuf anstrengend ist, antwortet Franklin schmunzelnd: „Meine Frau, die Kinder und das Haus sind noch da.“ Als Spieler ist Franklin nun im Ruhestand, den Wiedereinstieg von „außerhalb des Feldes“ als Coach zurück auf den Court hat er verpasst. Was Franklin eigentlich so in seinem täglichen Arbeitsumfeld macht und wie er Badminton vermittelt, erfahrt ihr im nachfolgenden Interview.

Steckbrief: Franklin Wahab

Alter: 45
Beruf: Badmintontrainer
Badminton seit: 33 Jahren
Trainerlizenz: A-Lizenz
Motto: „Das Beste aus zwei Welten: Kreativ in stabilen Strukturen“
Trainertätigkeit: Landestrainer Hessen

Was begeistert Dich so an der Sportart Badminton?
„Badminton hat alles was ein Sportlerherz begehrt. Neben einer guten Athletik und Technik ist ebenfalls taktisches Verständnis maßgebend. Darüber hinaus kann sich jede*r Athlet*in individuell und kreativ im Badmintonsport entwickeln.“

Warum bist Du Trainer? Was bedeutet die Tätigkeiten für Dich?
„Ich finde den Trainerberuf klasse! Athleten*innen über längere Zeiträume zu begleiten und direkt den Fortschritt mitzuverfolgen, ist etwas Einzigartiges. Auch die Koordination und Zusammenarbeit mit anderen Trainern ist großartig. Gemeinsam mit unterschiedlichen Coachingstilen das gleiche Thema zu vermitteln ist und bleibt spannend!“

Wer hat Dich als Trainer geprägt?
„Hier gibt es nicht den einen Trainer*in, der mich am meisten geprägt hat. Auf meinem Weg als Trainer und Coach treffe ich ständig neue interessante Persönlichkeiten. Besonders in Erinnerung sind mir folgende Trainer geblieben: Bernd Brückmann als mein eigener Coach, Holger Hasse als Ausbilder zur A-Trainerlizenz, Jacob Oehlenschlaeger und Diemo Ruhnow als Referenten bei Fortbildungen. Alle haben gemeinsam, dass sie mir jeweils einige 'Aha!-Erlebnisse' beschert haben, die bis heute mein heutiges Trainer- und Badmintonwissen beeinflussen.“

Dein Blickwinkel auf den deutschen Badmintonsport?
„Da ich indonesischer Abstammung bin, habe ich eine gewisse Affinität zur indonesischen Kultur. Obwohl ich nie dort gelebt habe, konnte ich einiges, wie man in diesen Gefilden Badminton denkt, mitbekommen. Insbesondere die Teilnahmen an dortigen Trainingscamps als Jugendlicher, eine Teilnahme an den Indonesian Open als Spieler und der Besuch der Thomas- und Uber Cup-Finals in Jakarta als Zuschauer haben mich sehr geprägt. Fußballstadion-Atmosphäre in einer vollgepackten Badminton-Arena! Das war einfach großartig!

In Indonesien ist Badminton kein 'Soldaten- oder Beamtensport', sondern zeichnet sich durch seine künstlerische, kreative, geschmeidige und improvisationsfreudige Art aus. Indonesier sind im Badminton in puncto Stil und Stimmung quasi das, was die Brasilianer im Fußball sind.

Ich denke schon, dass Deutschland mittlerweile auf einem richtigen Weg ist, was ja auch an den wachsenden Erfolgen im Weltklassebereich zu sehen ist. Mein Gefühl war, dass früher sehr viel Wert auf das Physische gelegt wurde, aber das Bedürfnis so richtig viel am Schläger zu können, nicht so stark ausgeprägt war. Mittlerweile hat man hier vor allem in der Nachwuchsausbildung eine bessere Balance gefunden. Das zahlt sich so langsam aus.

In einem perfekten Deutschland würde dadurch nun auch Badminton etwas populärer werden und Kinder, die anfangen, wüssten dann, dass man beim Badminton den Schläger nicht im Bratpfannengriff hält. Das würde schon immens helfen!“

Welche 'Indo-Elemente' integrierst Du in deine Trainingsphilosophie? Welche Elemente der deutschen Kultur integrierst Du in dein Training?
„Hier kommt mir das Paradoxe meiner Persönlichkeit zugute. Viele Freunde meinen nämlich, dass ich teilweise deutscher als deutsch, aber auch indonesischer als indonesisch sei.
So achtet meine „indonesische Seite“ zum Beispiel bei Übungen darauf, dass diese kreativ und technisch anspruchsvoll gelöst werden müssen. Es sollte zwar schon so sein, dass taktische Vorgaben einen roten Faden vorgeben, diese aber nie die Entwicklung einer technischen Vielfalt beschränken sollte. Auch versuche ich zu vermitteln, dass es beim Badminton eine gewisse Leichtigkeit und Lockerheit braucht.

„Typisch deutsch“ sollte dann die Herangehensweise sein, denn natürlich ist Badminton besonders im Training auch harte Arbeit. Die viel zitierten deutschen Tugenden wie Disziplin, Zielstrebig- und Genauigkeit sind Werte, die ich in meinem Training fordere und fördere.

Drei Dinge die Du als Trainer gelernt hast?

  • „Ohne gute Strukturen innerhalb eines Verbandes, ist es schwierig ein gutes Talentsichtungs-, Entwicklungs- und Leistungssystem zu etablieren.“
  • „In der Entwicklung von Athleten*innen zahlt es sich oftmals aus gelassen zu bleiben.“
  • „Die sportliche Leistung eines Spielers liegt häufig in seinem Umfeld begründet.“

Wie sollte eine optimale Trainingsatmosphäre für erfolgreiches Kindertraining aussehen?
„Das Wichtigste im Kindertraining ist Humor, also mit viel Positivität und Freude an die Kids heranzutreten. Die Trainingsinhalte sollten interessant und anregend aufgearbeitet werden. Wenn jetzt noch ein Bewusstsein für das Erarbeiten neuer Inhalte kreiert wird, klasse!“

Wie lockst Du mich?
„Ich würde versuchen, dir eine Finte beizubringen, die du aktuell noch nicht beherrschst und mit der Du bei deinen Freunden schön angeben kannst. Denn seien wir doch ehrlich: es gibt doch auf dem Feld nichts Schöneres als den Gegner auf der anderen Spielhälfte komplett in eine falsche Ecke zu schicken. Ein schöner Nebeneffekt ist, dass man beim Erlernen der Finte auch seine technischen Fähigkeiten für 'normale' Schläge verbessert.“

Was sind Deine drei Tipps, wie man als Trainer*in im Kindertraining auftreten sollte?
„Der Trainer*in sollte stets authentisch, engagiert und mit Freude auftreten. Generell gilt die Regel, dass man einfach so sein sollte, wie man sich das auch von den Athleten*innen wünscht.“

Wie sollten Jugendwettkämpfe in den Altersklassen U11 und U13 aussehen?
„Meiner Meinung nach sollte das Turniersystem weniger Druck und Ergebnisausbildung forcieren. Das dänische Turniermodell BadmintonPLAY in den unteren Altersklassen finde ich zum Beispiel sehr ansprechend.“

Deine 'Best-Practise-Übung" im Kinder- & Anfängertraining?
„Ein absoluter Badmintonklassiker: kurz–kurz-lang mit guten Laufrhythmus und – ganz wichtig – mit Kontrollschlägen, konkreten Fokuspunkten und vielen Zusatzaufgaben.“

Eine Maßnahme, mit der Du Unpünktlichkeit in den Griff bekommen hast?
„Erstens versuche ich selbst vor Trainingsbeginn da zu sein und fange dann einfach pünktlich mit dem Training an. Die Leute, die dann zu spät kommen, verpassen einen wichtigen und interessanten Teil! Das wäre dann schon Strafe genug. Generell sollte das Training einfach so ansprechend sein, dass der Athlet alles mitbekommen möchte. Mit Sanktionen habe ich bisher keine guten Erfahrungen gemacht.“

Welches Wort verwendest du am häufigsten beim Loben deiner Athleten*innen?
„Saustarker Schlag/Move!“

Welche Momente im Training zaubern Dir ein Lächeln ins Gesicht?
„Wenn die Grundstimmung gut ist und die Athleten*innen mit Freude an den Themen arbeiten.“

Welcher Rat hat Dir in deiner Karriere am meisten geholfen?
„Wenn nichts mehr zu helfen scheint, schaue ich einem Steinmetz zu, der vielleicht 1000mal auf seinen Stein einhämmert, ohne dass sich auch nur der geringste Spalt zeigt; doch beim 1001. Schlag wird er entzweibrechen, und ich weiß, dass es nicht dieser eine Schlag war, der es vollbracht hat, sondern alle Schläge zusammen.“ – von Jacob Riis

Welchen Tipp möchtest Du allen Trainer*innen in Badmintondeutschland mitgeben?
„Das Anhäufen von Wissen durch Aus- und Fortbildungen, Hospitationen und vielen Gesprächen mit anderen Trainern ist auf jeden Fall nie verkehrt. Die Kunst ist es dann das Theoretische im Rahmen seiner Persönlichkeit empfängergerecht an die jeweilige Zielgruppe zu vermitteln.“
„Durch die Arbeit mit immer mindestens einem Athleten ist man als Trainer per se ein Teamplayer. Das sollte man immer im Hinterkopf haben.“

Was war Deine emotionalste Erfahrung als Trainer bisher?
„Immer die Momente, wenn man mit Athleten*innen die gesteckten Ziele (dies müssen nicht unbedingt Platzierungen sein!) erreichen kann und man gemeinsam über sich hinauswächst. Das tollste Gefühl als Coach ist es, auf einem Turnier oder im Training den richtigen Tipp für den Athleten*in gefunden zu haben.“

Landestrainer Hessen

Aufgaben eines Landestrainers in Hessen:
„Mein Job besteht zu 50% aus Training und Turnieren in der Halle und zu 50% aus Organisatorischem und Bürokratie am Schreibtisch. Das Tagesgeschäft ist die Organisation des Trainings am Stützpunkt in Frankfurt. Weiter vor allem die Kommunikation mit dem Präsidium und dem Landessportbund. Weiter liegt mir die Weiterentwicklung der Strukturen innerhalb des Verbandes am Herzen. In diesen ganzen Bereichen werde ich tatkräftig von Nicol Bittner (1/2 Stelle), von Stephan Sochor (1/8 Stelle), den Lehrertrainern Arnd Vetters und Sandra Emrich und dem Präsidium des Hessischen Badminton-Verbandes unterstützt.“

Aktuelle Projekte & Aufgaben:
„Als Landesverband Hessen wollen wir in Zukunft mehr Kinder in jungem Alter an den Badmintsport binden. Dafür bemühen wir uns mehr Vereine in Hessen für das Konzept Schule und Verein zu begeistern. Ziel ist es bereits in der zweiten Klasse Schulsichtungen mit Übertrag in die Vereine zu schaffen.“

„Wir als Landesverband sehen uns auch als Dienstleister für Vereine und wollen hier auf vielen Ebenen helfend zur Seite stehen.“

Szenarien:

Deine neue Trainingsgruppe ist komplett heterogen, wie gehst du mit dieser Situation um?!
„Als Erstes starte ich mit einem Kaiserspiel, um einen guten Eindruck der Gruppe zu erhalten. Gemeinsam werden wir dann an einem Prinzip in differenzierten Aufgabenstellungen arbeiten.“

Leben ohne Badminton, wohin mit Deiner Begeisterung?
„Boa…derzeit ist das nicht vorstellbar! Auf jeden Fall bleibe ich im Sportbereich tätig! Über den Badmintonsport hinaus begeistere ich mich für Eishockey und natürlich Fußball, speziell der Eintracht aus Frankfurt. Die Mitgliedschaft bei der Eintracht ist bei Aufnahme in unseren Stützpunkt mit zu unterschreiben (lacht).“

Wenn Du jetzt entscheiden müsstest, welchen Schlag- und welche Lauftechnik du bis an dein Lebensende durchführen musst, welche wäre das?
„Mein Spitzname zu Spielerzeiten war 'Drive-Monarch', also fällt mir die Wahl der Schlagtechnik leicht. Als Lauftechnik wähle ich den Kingsprung, also den Chinasprung in die Rückhandseite. Er ist technisch anspruchsvoll und vereint Dinge wie Sprungkraft, Timing und Koordination und macht auch richtig Spaß, wenn man den Ball als Smash-Cross-Konter versenken kann.“

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