Thom Gicquel äußerte einen Wunsch: Beim Einlaufen in die Saarlandhalle solle doch bitte die Champions-League-Hymne erklingen. Der französische Mixed-Star ist großer Fußball-Fan, drückt seinem Heimatklub Rennes und dem FC Arsenal die Daumen. Ein Hauch von Emirates in der Saarlandhalle, als Gicquel und seine Partnerin Delphine Delrue zum Finale gegen die Dänen Mathias Christiansen und Alexandra Boje auf den Court marschierten.
Gicquel setzte sein Game Face auf, Delrue musste ob der Musikwahl grinsen. Aber: Es war der korrekte Blick in die Glaskugel. Denn Gicquel und Delrue, die seit 2021 kein internationales Turnier gewonnen hatten, spielten von Beginn an wie die Champions. Und gerade Gicquel behielt in den entscheidenden Phasen die Nerven. 15-15 stand es im ersten Satz, ehe die Franzosen sechs der nächsten sieben Rallyes und damit den ersten Satz für sich entschieden.
Und im zweiten Durchgang brannte gar nichts mehr an. Gicquel und Delrue erspielten sich schnell eine Sechs-Punkte-Führung, verwandelten später ihren ersten Matchball. Gicquel jubelte auf den Knien, sagte über den ersten EM-Titel: „Am Ende waren es ganz viele Emotionen. Wir hatten bisher ein schwieriges Jahr und sind jetzt einfach froh über den Titel und die geschaffte Olympia-Qualifikation.“
Marins Knie zwickt ohne Auswirkungen
Am Freitag stand noch ein kleines Fragezeichen über Carolina Marin. Die Olympia-Siegerin von 2016 humpelte nach ihrem Viertelfinal-Sieg über Léonice Huet vom Court, verließ die Saarlandhalle mit dick bandagiertem Knie. Davon war ihr am Samstag nichts anzumerken. Im Halbfinale gegen Julie Dawall Jakobsen ließ Marín keinen Zweifel daran, ihren insgesamt siebten EM- Titel nach Spanien zu holen. Sie sagte: „Ich habe mein Team hier, sie haben sich gut um mich und mein Knie gekümmert.“ Mit Erfolg: Besonders der zweite Satz gegen Jakobsen war eindrucksvoll. 11-1 führte die Spanierin, mit 21-7 sicherte sich Marín den Durchgang und damit das Match.
Im Finale am Sonntag trifft Marín auf Kirsty Gilmour. Die Schottin setzte sich gegen Neslihan Arin durch (21-18, 21-13). Während die Türkin ihre zweite EM- Bronzemedaille in Folge feiert, kämpft Gilmour jetzt um ihren zweiten Titel in Saarbrücken. 2020 hatte die Rechtshänderin die SaarLorLux Open (seit 2021 HYLO Open) gewonnen – und im damaligen Halbfinale Marín besiegt. Bei der Team-EM 2024 in Lodz (Polen) spielten Gilmour und Marín gleich zwei Mal gegeneinander, in der Gruppenphase und im Halbfinale (Bilanz 1:1).
Antonsen lässt nichts anbrennen
Die EM-Reise von Joakim Oldorff endete erst im Halbfinale. Der 21-Jährige, der in Saarbrücken überhaupt erst Finnlands zweite EM-Medaille der Geschichte holte (nach Kalle Koljonen 2021 in Kiew), unterlag in der Runde der besten Vier dem Weltranglisten-Vierten Anders Antonsen (11-21, 11-21). Für Oldorff bedeutet die Niederlage auch das Aus in der Olympia-Qualifikation – um die nötigen Punkte für Paris zu sammeln, hätte er ins Endspiel einziehen müssen. Dort steht nun Antonsen, er kämpft heute um seinen zweiten EM-Titel nach 2021. Dieses Mal trifft er nicht auf Viktor Axelsen, der im Halbfinale sensationell gegen Toma Junior Popov verlor (19-21, 21-17, 9-21).
Tomo Junior Popov bezwingt Gigant Axelsen
Es ist die große Geschichte der Badminton-EM in Saarbrücken – dem letzten Turnier im zwölfmonatigen Qualifikationszeitraum für die Olympischen Spiele im Sommer in Paris. Toma Junior Popov zieht ins EM-Finale ein und sichert sich damit das Olympia-Ticket. Sein Bruder Christo muss kampflos zuschauen.
Toma Junior Popov war gerade erst um die Ecke gebogen. Runter vom Centercourt, auf dem er Viktor Axelsen, den Olympia-Sieger, den zweifachen Weltmeister, den EM-Titelverteidiger gerade noch im Entscheidungssatz 21-9 weggefegt hatte. Jetzt stand er auf dem Trainingsfeld, hinter dem schwarzen Vorhang in der Saarlandhalle. Und telefonierte. Mit seiner Freundin, Mia Blichfeldt. Die Dänin galt im Damen-Einzel als Mitfavoritin, schied aber überraschend schon im Achtelfinale aus. Ihr Freund steht jetzt im EM-Finale – und schickte ihr einen Handkuss per Videobotschaft aus Saarbrücken. Blichfeldt fasste sich auf der anderen Seite des Handyscreens ungläubig an die Stirn.
Denn es ist schwer zu greifen, welches Husarenstück Popov in Saarbrücken glückte. Es geht schließlich nicht nur um den EM-Titel, sondern auch um die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Paris – für Popov also im eigenen Land. Bei Olympia ist es so: Jede Nation hat nur einen Startplatz pro Disziplin (außer zwei Spieler:innen stehen im Einzel in den Top 16 der Welt, in den Doppel-Disziplinen in den Top 8). Toma und sein jüngerer Bruder Christo liegen außerhalb der besten 16 Einzel-Spieler, also kann nur einer der beiden das Olympia-Ticket lösen. Vor der EM lag Christo rund 3.000 Punkte vorn.
Es war klar: Würde Christo ins Viertelfinale einziehen, hätte er die Qualifikation sicher. Toma hingegen muss mindestens ins Finale einziehen, um überhaupt eine Chance zu haben –und auf dem Weg dorthin Viktor Axelsen besiegen. Ein unrealistisches Szenario.
Aber nicht unmöglich. Christo verlor in der zweiten Runde gegen seinen Landsmann Alex Lanier. Die Tür für den älteren Popov war offen – Axelsen stand weiterhin davor. Popov sagte: „Ich meine, es ist Viktor, er ist wahrscheinlich der beste Spieler in diesem Jahrzehnt.“ Aber der Däne ist in diesem Jahr so schlagbar wie lange nicht, gewann in 2024 noch kein einziges Turnier. Das wird so bleiben. Er sagte nach dem Halbfinal-Aus: „Ich glaube, wir haben nicht genügend Sendezeit, um über all meine Probleme zu sprechen.“ Rumms.
Die Endspiele der Badminton-EM 2024 beginnen am Sonntag ab 14:00 Uhr.