Rund 200.000 Euro weniger Mittel für die Jahresplanung (Turnier-/Maßnahmenkosten) pro Jahr bedeuten eine Haushaltskürzung von ca. 40%, entsprechend weitreichende Folgen für den Leistungs- und Nachwuchssport werden erwartet. Hinzu kommt die aktuelle vorläufige Haushaltsführung, welche dann im Gesamten die Planungssicherheit des Verbandes zäsiert und somit die kontinuierliche Entwicklung speziell aller Athletinnen und Athleten gefährdet. „Wir versuchen uns bereits seit Jahren bestmöglich selbst zu helfen, diese Einschnitte bedrohen jedoch endgültig die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Wir wollen uns aktuell zukunftsweisend ausrichten und auch (zurück) zu (alter) Stärke (wieder) finden, stecken jedoch in großen Abhängigkeiten“, betont Hannes Käsbauer, Chef-Bundestrainer.
Die Olympischen Spiele waren für den DBV kein glanzvolles Turnier, zu sehr hatte das Qualifikationsjahr sowie die Jahre zuvor den Top-Athlet*innen wie Mark Lamsfuß oder Yvonne Li abverlangt. „Marvin Seidel war in absoluter Topform, jedoch braucht er eben auch einen fitten Partner. Und Isabel Lohau hatte mit der schweren und langwierigen Knieverletzung von Mark bei der internationalen Konkurrenzdichte im Mixed keine Qualifikationschance im Jahresverlauf. Yvonne Li hat es trotz der langwierigen Knieproblematik sehr ordentlich gemacht in Paris!“ Zwei Jahre zuvor stießen Mark Lamsfuß/Isabel Lohau ins WM-Halbfinale sowie die Top10 der Welt vor. Zudem war Deutschland mit 2 Gold und 1 Silbermedaille bei den Europameisterschaften 2022 ganz vorn dabei. All dies berücksichtigte das Potenzialanalysesystem (PotAS) des BMI nicht bzw. nur bedingt. Dem DBV werde sogar gar kein Potenzial unterstellt. „Das ist faktisch schlichtweg falsch, wir sind dazu auch in Gesprächen, jedoch mit unbekanntem Ausgang. Die Reduzierung ist ein riesiger Einschnitt im internationalen Wettbewerb“, erläutert Martin Kranitz, langjähriger Sportdirektor im DBV.
Mit all den Preissteigerungen der letzten Jahre wird sowieso mehr Geld nötig sein, um die Reisen zu finanzieren. Die gerade absolvierten Team-Europameisterschaften in Baku/Aserbaidschan hätten nicht kostenintensiver sein können, der Kostendruck für die Auswahl der Anzahl der Betreuer, bei Hotels und Reisen war enorm hoch. Das Team belegte einen tollen 3. Platz. Die Hälfte des Teams konnte aufgrund der hohen Kosten nicht bei der Medaillenvergabe dabei sein.
Deutschland qualifizierte sich mit der Bronzemedaille für die Team Weltmeisterschaften Ende April in China. Hannes Käsbauer: „Wir werden uns vermutlich abmelden, denn eine Team WM in China kostet ganz schnell 50.000€, Geld, das wir hinten und vorne nicht haben. Unsere aktuelle Planung reicht bis zum Sommer. Selbst die WM Ende August ist finanziell zur Zeit nicht gedeckt, ganz zu schweigen von den anschließend kommenden Weltranglistenturnieren“. Insbesondere Martin Kranitz und Hannes Käsbauer stecken gerade jeden Tag die Köpfe zusammen, um sinnvolle Lösungen zu erarbeiten und vor allem sportfachlich mit smarten und nachhaltigen Ideen die Zukunft in Angriff nehmen zu können.
Auch die Zusammenarbeit mit all den Partnerinstitutionen wie den Olympiastützpunkten oder dem Institut für Angewandte Trainingswissenschaft (IAT) Leipzig wird mit ähnlichen Limitationen erschwert. „Wir leben hier von der guten und vertrauensvollen Zusammenarbeit, die wir eigentlich ausbauen wollen, um die PS, die wir haben noch besser auf die Straße zu bekommen. Aktuell sieht es stark danach aus, dass wir PS verlieren.“, so Hannes Käsbauer, der seit vielen Jahren intensiv im Austausch innerhalb des DBV-Netzwerks ist.
Die Kürzungen betreffen die zentrale Arbeit des Leistungssports, z. B.:
- Weniger Turniere: bis zum Start der Olympiaqualifikation im Mai 2027 werden jährlich ca. 20-25 Turniere gespielt. Neben Turnieren in Europa finden diese vor allem in Asien statt, in der Regel ist man 2-3 Wochen am Stück unterwegs. Weniger Turniere bedeuten eine klare Einschränkung in der Wettbewerbsfähigkeit insbesondere in Hinblick auf eine erfolgreiche Teilnahme an Welt– und Europameisterschaften sowie der Olympiaqualifikation.
- Nachwuchsförderung: trotz notwendiger Priorisierungen ist grundsätzlich viel zu wenig Fördermasse vorhanden, um jungen Talenten eine Struktur zu geben, die sie im langfristigen Leistungsaufbau ohne große Täler durchlaufen müssen.
- Weniger zentrale Trainingsmaßnahmen: insbesondere in den Schnittstellenbereichen (Kinder, Nachwuchs, Erwachsene, Landeskader-Bundeskader NK2/1, NK1-PK) sind diese Maßnahmen essentiell wichtig, um an den Stützpunkten ein Gespür für die Athlet*innen, die noch nicht vor Ort sind zu entwickeln.
- Notwendige Einsparungszwänge im Verband aufgrund allgemeiner Kostensteigerungen.
„Die Athletinnen und Athleten stehen im Mittelpunkt, aber auch unser gesamtes Leistungssportpersonal lebt von Gestaltungskraft, die wir gewährleisten müssen“, gibt sich Hannes Käsbauer kämpferisch: „Wir werden unsere Hausaufgaben für bestmögliche Setups machen. Wir wollen angreifen und auf – oder noch besser: vor – die Welle kommen!“
„Deutschland soll als führende Sportnation auch in Zukunft bei internationalen Wettkämpfen möglichst viele Medaillen gewinnen. Das Potenzialanalysesystem als objektiviertes Verfahren der Verbandsförderung bei der Mittelvergabe hat erhebliche Schwächen und ist nur sehr bedingt geeignet den Abschwung des deutschen Sports aufzuhalten. Schon der erste Sommersportartenbericht der PotAS-Kommission aus dem Jahr 2021 hatte heftige Diskussionen ausgelöst, weil die Prognosen mitunter völlig unzutreffend waren. Die Auswirkungen der Mittelkürzung auf den Erwachsenen- und Nachwuchsbereich sind sehr gravierend. Die Mittelkürzungen sind ein grundlegender Fehler und hemmen den Sport in seiner weiteren Entwicklung,“ betont Ralf Michaelis, der Präsident des Deutschen Badminton Verbandes e.V.
Der Deutsche Badminton-Verband e.V. ist sich seiner Herausforderungen sehr bewusst und richtet mit den bevorstehenden, wegweisenden Entscheidungen den Appell Richtung Politik, dieses Vorgehen mit den verbundenen Kürzungen eindringlich zu überdenken.
Vergleichbare Haltungen im deutschen Sport: